Affe mit Smartphone (11)
Abend. Wir sitzen bei den Nachbarn. Sandra und Tobias. Pimax, ihr Sohn ist irgendwo unterwegs. Hoffentlich nicht in unserer Wohnung. Im Fernsehen läuft gerade Galileo.
Ist er nicht fantastisch? sagt Sandra. Anwältin. Langes blondes Haar mit Pony. Ihr Brillengestell ist von Gucci. Sicher nicht billig.
Wir haben schon immer geahnt, dass er hochbegabt ist, sagt Tobias. Er hat auch eine Brille, aber keine Haare. Solariumsgebräunt, mit Jeans und Sakko. Ist Ingenieur oder so was.
Im Fernsehen kommt gerade ein Beitrag über Serien, die man über das Smartphone schauen kann. Frage mich, ob das bei meinem auch geht.
Schon toll die Dinger, meint Tobias, der auch gerade zum Fernseher schaut.
Er bricht immer wieder in unsere Wohnung ein, sagt Schatz ziemlich laut und schaut mich dabei an.
Unglaublich, oder?, schwärmt Sandra. Der Junge hat die Videoanleitung bei YouTube gesehen und konnte gleich Ihr Schloss knacken.
Was haben Sie für eins?, fragt mich Tobias.
Samsung.
Mit dem geht das auch.
Wir finden das nicht so toll, wenn ihr Sohn bei uns einbricht, sagt Schatz. Sie brodelt. Ich schaue auf ihre Hand. Der rechte kleine Finger zuckt. Das tut er immer, wenn sie aufgeregt ist.
Und Sie, frage ich Tobias.
iPhone. Das Neue mit OLED. Geil, das Teil. Hier.
Er gibt es mir rüber.
Das geht so nicht, knurrt Schatz.
Aber man muss Hochbegabten mehr Raum geben, damit sie sich entwickeln können, sagt Sandra.
Nicht in unserer Wohnung.
Und damit kann man Serien schauen?, frage ich.
Damit kann man alles machen, sagt Tobias
Schatz schaut mich böse an. Ich lächle zurück. Jetzt schaut sie noch böser. Tobias spielt ein Video ab.
Tolles Bild, sage ich.
Nicht wahr?, sagt er.
Sie sollten ein wenig Verständnis für die Kinder aufbringen, meint Sandra. Kein Wunder, dass es in Deutschland kaum noch welche gibt. Die Kleinen haben keine Freiheit mehr, sich zu entfalten.
Er hat unsere Katze angestrichen, entgegnet Schatz.
Der Ton ist auch nicht schlecht, sage ich. Tobias lässt eine Folge von Games of Throne abspielen.
Mit EarPods klingt es noch besser, sagt er.
Er hat sicher nur herausfinden wollen, wie Ihre Katze reagiert, sagt Sandra, so ist er, der Kleine. Unheimlich neugierig.
Wenn sie kaputt gegangen ist, ersetzen wir Ihnen den Schaden. Kein Problem, wirft Tobias ein, lächelt die Frauen an und wendet sich wieder der Serie zu.
Das ist eine Katze, ruft Schatz, unsere Katze!
Und es ist unser Junge, schreit Sandra. Er ist an Mensch. Wollen Sie ihre Katze über die Entfaltung eines jungen Menschen stellen?
Die Drachenmutter hat sich gerade wieder ausgezogen.
Das Bild ist schön scharf, sage ich.
Und wie, sagt Tobias.
Wenn er unser Haustier quält, dann hat das nichts mit Entfaltung zu tun, knurrt Schatz.
Das ist typisch, regt sich Sandra auf. Diese Kinderfeindlichkeit. Man muss sich als Eltern entschuldigen, dass man überhaupt Nachwuchs bekommt. Nur damit kinderlose Leute wie Sie in ihrer Luxusblase nicht gestört werden. Aber wer zahlt ihre Rente? Unser Junge, dessen Entfaltung Sie verhindern möchten.
Er kann sich entfalten, wo er will, aber nicht in unserer Wohnung und nicht auf Kosten unserer Katze, giftet Schatz.
Nur wegen ihrer blöden Katze, soll ich meinen Jungen an seiner Entwicklung eingrenzen?, schrillt Sandra.
Ich steuere damit auch unsere Heizungsanlage, erklärt mir Tobias. Außerdem haben wir Kameras installiert, mit der wir unsere Wohnung beobachten können, auch wenn wir nicht da sind.
Toll, sage ich.
Ich möchte, dass Sie ihrem Kind, verbieten, in unsere Wohnung zu kommen. Schatz explodiert gleich.
Ich glaube nicht, dass er das akzeptiert, sagt Sandra und wendet sich an ihren Mann: Was meinst du, Äffchen?
Nein, sagt Tobias, bestimmt nicht.
Hat sie gerade Äffchen gesagt?
Das ist uns egal, schreit Schatz mit hochrotem Kopf und steht auf. Ich will ihn nicht mehr in unserer Wohnung sehen. Komm!
Das letzte Wort war an mich gerichtet. Also stehe ich auch auf, gebe Tobias sein iPhone zurück
Du warst ja eine große Hilfe, sagt sie zu mir, als wir im Treppenhaus sind.
Sie hat ihn Äffchen genannt, sage ich.
Schatz schüttelt den Kopf: Da fragt man sich, wer hier wen erzieht, die Erwachsenen den Jungen oder der Zwerg seine Eltern.
Ich brauche ein neues Smartphone, sage ich.
Fantastisch geschrieben, ich liebe deinen Stil. Es trifft genau ins Schwarze und ist einfach typisch MANN.. Kommt mir definitiv bekannt vor 😉
Hey, danke Lilly, freut mich wenn dir meine doch sehr schrägen Geschichten gefallen. Wir Männer sind manchmal schon etwas seltsam – aber in der Regel harmlos 😉