Aus dem Leben eines Erfolgsmenschen
Der Geburtskanal war nun wirklich kein Problem. Augen zu und durch. Niemand hat gesagt, dass es leicht werden würde. Das spürte man schon in der Gebärmutter, was da auf einem zukommt. Also feste rutschen, sich durch den engen Schlund kämpfen und endlich das Licht der Welt erblicken. Gut, die Ankunft war ein bisschen rustikal. Wurde danach gleich an den Füßen gepackt und geschlagen. Hätte die Ziege am liebsten zurückgeschlagen, aber meine Arme waren zu kurz. Schwor mir, ihr das irgendwann heimzuzahlen.
Gehen lernen verlangte meine ganze Geduld. Das Balancieren auf zwei kleinen Flächen, die man Füße nennt ist nicht leicht. Aber hallo, ich muss schließlich ein leistungsfähiges Mitglied der Gesellschaft werden, das verlangt, dass man Rückschläge einstecken kann und Selbstdisziplin aufbringt.
Mit drei kam ich in die Kita. Eine Spezielle für mehrsprachige Erziehung. Ich lernte gleichzeitig deutsch, englisch, russisch, arabisch und chinesisch. Man kann nicht früh genug anfangen. Wir machten schon die ersten Schreibübungen. Als ich in die Schule kam, las ich morgens vor dem Unterricht regelmäßig die FAZ und die Süddeutsche. Unsere Lehrerin war von Minderwertigkeitsgefühlen geplagt. Sie hatte Bindungsängste und Probleme in ihrer Partnerschaft. Ich führte mehrere Krisengespräche mit ihr. Im Laufe der Zeit konnten wir ihre Grundproblematik auflösen. Sie ist heute seit über dreißig Jahren glücklich verheiratet.
Natürlich war ich in der Ganztagsschule. Meist hatten wir um fünf Uhr Schluss. Montags ging es danach zum Fußballtraining. Dienstags und donnerstags vertiefte ich meine Sprachkenntnisse in den Fremdsprachen, zu denen jetzt auch noch Französisch uns Spanisch gekommen waren. Am Mittwoch und am Freitag hatte ich Unterricht in Piano und Violine. Meine Eltern wollte alle künstlerischen Fächer abdecken, deswegen war an Samstagen Zeichen- und Malunterricht. Sonntags ging es dann zum kreativen Schreiben.
Ich verfasste mit Ende Zehn meine erste Symphonie. Als ich dreizehn Jahre alt war und die rebellische Zeit begann, brach ich komplett mit der klassischen Musik und komponierte zwei Megahits. Nach meinem elften Lebensjahr organisierte man eine Ausstellung meiner frühen Gemälde. Ähnlich gut lief es auch bei meinen Romanen. Der erste wurde verfilmt, als ich gerade einmal vierzehn Jahre alt war. Trotz der vielen Erfolge hatte ich lange Zeit den Berufswunsch, Zahnarzt zu werden, weil man da eine Menge Kohle verdienen kann – so wurde mir zumindest gesagt. Mein Vater überzeugte mich aber dann doch davon Betriebswirtschaftslehre zu studieren. Ich ging ein Jahr in die USA. Dort baute ich ein Start-up in einer Garage auf, das ich vor meiner Rückkehr in die Heimat für dreißig Millionen Dollar verkaufte.
Joachim Löw rief mich eines Abends an und bettelte, dass ich doch in die Fußballnationalmannschaft kommen solle. Ich sagte ihm, dass meine Termine es nicht zuließen. Stattdessen organisierte ich die Fertigstellung des Berliner Flughafens. Mit 25 Jahren wurde mir langweilig. Ich ging noch einmal zur Uni und studierte Physik und Chemie. Als ich meine Doktorarbeiten in den Fächern beendet hatte, entdeckte ich die Antigravitation und richtete einen bemannten Flug zum Mars aus. Mit vierzig war ich der reichste Mann Europas, fünf Jahre später der reichste in der Welt.
Dann, kurz vor meinem 47. Geburtstag, wurde ich von einem LKW überfahren. Meine Eltern hatten mir vergessen beizubringen, dass man nach links und nach rechts schauen muss, bevor man auf die Straße geht.
So ein Pech!