Angriff auf den Schnitzelbauch (4)
Am Abend, kurz nach den Tagesthemen. Ich stehe im Bad und putze die Zähne. Schatz hat gerade geduscht und trocknet sich ab. Sie stellt sich auf die Waage. Schweigen.
Wir sind zu dick, sagt sie plötzlich.
Wir?, frage ich.
Ja wir! Schau dich mal an.
Ich blicke an meinem Bauch herunter.
Die Füße sehe ich aber schon noch, sage ich. Die Zehenspitzen zumindest.
Du hast dich nach vorne gebeugt, sagt sie, das gilt nicht. Wir müssen abnehmen, stellt sie in ihrem gebieterischen Ton fest. Wenn Schatz den anschlägt, weiß ich, dass es keinen Sinn mehr hat zu widersprechen.
Und wie sollen wir das machen?, frage ich.
Wir könnten fasten. Wir machen zwei Wochen Heilfasten. Das soll den Körper reinigen. Schatz bekommt als sie das sagt ganz glänzende Augen. Dann geht der ganze Dreck aus uns heraus.
Welcher Dreck?, will ich wissen.
Na all das Zeug, dass wir so essen.
Das Schnitzel war gut, gestern!
Ach du! Hast du mal daran gedacht, mit welchen Arzneimitteln die Tiere aufgezogen werden? Diese armen Viecher.
Aber dein Rinderfilet hat dir doch auch geschmeckt.
Darum geht es doch gar nicht. Wir könnten fasten und dann Veganer werden. Iris ist auch Veganerin.
Ich will nicht werden, wie Iris. Mit der geht niemand mehr essen. Weil sie immer so gruselige Geschichten auftischt. Kannst du dich erinnern, als sie uns von dem Kälbchen erzählte? Mir ist fast das Schnitzel wieder hochgekommen.
Was musst du aber auch immer Schnitzel essen. Es gibt übrigens auch Veggie-Schnitzel aus Soja und so.
Können wir nicht etwas anderes machen?
Nur weil du gesunde Sachen nicht magst?
Du bestellst doch auch immer den Salat mit Putenstreifen.
Aber ich könnte auf sie verzichten. Anders als du mit deinem Schnitzel.
Unser Gespräch hat sich ins Schlafzimmer verlagert. Ich liege schon im Bett, Schatz cremt sich noch ein. Ich schalte den Fernseher an. Es läuft gerade eine Reportage bei Arte über geschredderte Kücken. Ich schalte schnell um.
Schatz streicht sich über den Bauch.
Ich muss mindestens zehn Kilo abnehmen, sagt sie.
Ich schweige.
Und du auch, sagt sie mit einem Blick auf mein gewölbtes Pyjama-Oberteil.
Ich schweige wieder und suche händeringend nach Argumenten gegen das Fasten. Dann fällt mir eins ein.
Was ist mit dem Jo-Jo-Effekt?, frage ich und sehe gleich am Gesichtsausdruck von Schatz, dass ich ins Schwarze getroffen habe.
Du hast recht, das ist ein Problem.
Schweigen. Thema erledigt, denke ich schon hoffnungsvoll. Doch dann die Ernüchterung. Im Fernsehen läuft gerade eine Werbesendung über Fixi-Fettweg-Flutsch, irgend so ein Bauchweg-Trainingsgerät.
Schatz sieht es leider, bevor ich weiterzappen kann.
Das ist es, wir müssen Sport machen, ruft sie aufgeregt.
Wo willst du denn dieses Ding hinstellen?
Nicht mit Fixi-Fettweg-Flutsch, ich meine wir müssen uns mehr bewegen. Da kann man viel schneller und leichter abnehmen.
Ich denke an schnaufende Radfahrer, an denen ich im Sommer mit dem Auto vorbeifahre. Schnaufende Radfahrer, die sich mit kleiner Übersetzung, den Berg hinauf quälen. Mir läuft ein kalter Schauer über den Rücken.
Und an was hast du gedacht?, frage ich vorsichtig.
Joggen. Das ist am billigsten.
Ich erinnere mich an meine Schulzeit. Bundesjugendspiele. Tausend-Meter-Lauf. Ich kam immer als Letzter ins Ziel. Keuchend mit Seitenstechen. Ein Trauma.
Können wir nicht etwas anderes machen?
Nein! Schatz hat wieder diese gewisse Entschlossenheit in ihrer Stimme. Morgen legen wir los!