18 November 2019

Joggen mit Klo (5)

Nachmittag. Ich stehe mit Schatz im Sportkaufhaus. Von der Decke herunter hängt ein riesiger Fernseher. Es läuft Sport. Frauenfußball. Der kommt immer nachmittags, weil den niemand interessiert. Ein riesiger Laden hier. Haben jede Menge Sportkram. Ein blondes Muskelpaket mit T-Shirt und Trainingshose kommt auf uns zu.

Kann ich Ihnen helfen?, fragt er Schatz. 

Schatz lächelt. Komisch, wie ihre Augen strahlen. Und wie sie auf seine Bizeps schaut. 

Ja, gerne. Wir wollen joggen gehen, sagt sie. Mukimann grinst zurück und bedeutet uns, mitzukommen. Wir gehen in den Keller. Dort ist ein breiter Gang, wo gerade einige Leute hin und her laufen. 

Schuhe, sagt der Typ, sind am Wichtigsten. Wir sollen mit Sensoren ausgestattete Schuhe anziehen und uns der Kolonne anschließen, die den Gang entlang trabt. Schatz ist ganz begeistert und läuft hin und her. Sie bewegt sich heute so komisch. Wie eine Ente. 

Als wir schließlich fertig sind, faselt Mukimann etwas von Fersenlauf, Pronation und Abrollverhalten. Schließlich sollen wir in Schuhe schlüpfen, die so knallig bunt sind, dass sie eher zu einem Kindergeburtstag gepasst hätten. Nur sind sie wesentlich teurer, als ein Kindergeburtstag. 

Prima, sagt er und packt unsere neuen Schuhe in eine Tasche. Wir gehen wieder nach oben. Wer spielt da überhaupt, frage ich mich, als ich wieder den großen Fernseher entdecke. Deutschland, Schweden oder so. Mukimann lässt mir keine Zeit. Er führt uns an Ständen mit Skiern vorbei, an Surfboards, an Tennisschlägern. Hinten, in einer kleinen Abteilung, hängt ein Schild mit einem Foto von Dieter Baumann – dem mit der Zahnpasta.  Strahlemann deutet auf einen Kleiderstand mit Jogginganzügen aus irgend so einem Plastikstoff.

Semipermeable Beschichtung, durchlässig für Wasserdampf, sagt er. 

Wir wollen kein Tee kochen, sage ich.

Es geht um Schweiß, klärt er uns auf. Wenn wir laufen, ist es wichtig, dass der Schweiß verdampfen kann. Dadurch wird der Körper gekühlt. Aber das Geniale an diesem Stoff sei, dass man, wenn es regnet, trotzdem nicht nass wird. Warum schaut er immer nur Schatz an, wenn er redet? Wir sollen diese Teile anprobieren. Meiner ist neongelb mit Reflexstreifen. Wie bei einem Bauarbeiter auf der Autobahn – oder die Westen dieser französischen Revolutionären. Die Hose ist eng, das Oberteil knistert. 

Das muss so sein, sagt Mukimann. Am Knistern erkennt man die hohe Qualität. Schatz hat ein hautenges Teil an. Sieht richtig heiß aus. Das denkt wohl auch Superman und grinst sie an. 

Muskelmann vor Sportladen

Wir nehmen die Teile. Ich denke, das reicht jetzt. Mit dem Geld, dass wir in dem Laden gelassen haben, könnten wir eine Nepaltour bei Jochen Schweizer buchen.

Nein, sagt er. Wir benötigen auch Unterwäsche. Wegen diesem Schweißproblem. Im Sommer könnten wir auch nur mit der Unterwäsche herumlaufen, schwärmt er. Die sei dermaßen schick. Ich lauf doch nicht mit Unterwäsche herum, denke ich. Schatz lächelt ihn selig an. Ich glaube, er könnte ihr erzählen, dass man mit Pfauenfedern fliegen kann, sie würde es glauben. Er dreht uns ein ärmelloses Oberteil an und ein paar kurze Hosen, eng, wie ein hosenförmiges Kondom. 

Jetzt aber, denke ich und will schon mit dem ganzen Zeug zur Kasse gehen. Nein, ruft er mich zurück. Es fehlt die Mütze. Im Winter, wenn es kalt ist, sollte man den Kopf schützen, weil man den beim Joggen ja kaum bewegt. Ich mache alles was der will, wenn wir nur endlich rauskommen aus diesem Laden. Handschuhe. Ok! Und zum Schluss auch noch Socken. Die würden die Kondition erhöhen. 

Knistern die auch, frage ich. Er ignoriert meine Frage. 

Und jetzt das Wichtigste, sagt er, als ich gerade schon mein Smartphone zum Bezahlen zücke. 

Wir haben doch schon die Schuhe, sage ich.

Was ist das Wichtigste?, haucht Schatz und himmelt ihn an.

Jeder von Ihnen braucht einen KLO.

Einen Klo?, wiederhole ich verwirrt. Er macht mich darauf aufmerksam, das KLO die Abkürzung für einen Künstlichen Leistungsoptimierer ist. 

Und wie sieht so ein KLO aus, will Schatz wissen, die dem Typen förmlich an den Lippen hängt. 

Das ist ein Armband, das man Tag und Nacht trägt. Es zeichnet die Aktivitäten auf und wertet sie aus. Das ist sehr motivierend und wichtig, wenn Sie Gewicht verlieren wollen, sagt er.

Superman erzählt uns, dass man bei Joggen nur in einem ganz bestimmten Leistungsbereich abnimmt. Überfordert man den Körper, greift er zur Energiegewinnung nicht mehr auf die Fettreserven zurück.  

Angeber! Jetzt will er auch noch seine Gehirnmuskeln zeigen, denke ich. Schatz ist ganz hin und weg, als hätte er gerade die Bergpredigt verkündet. 

Er zeigt uns schwarze Armbänder mit einem Display. 

Alles wird aufgezeichnet und in der Cloud gespeichert. Von da aus ist es jederzeit und von überall her abrufbar.

Jederzeit und überall, stöhnt Schatz abwesend. 

Braucht man so etwas?, frage ich.

Klar, sagt der Schönling. Zumindest hat er mich diesmal nicht ignoriert. Wir nehmen zwei Armbänder mit Coachingfunktion, was angeblich der letzte Schrei ist. 

Endlich verlassen wir den Laden. Wir müssen zweimal zum Auto gehen, weil wir das ganze Zeug nicht auf einmal schleppen können. Schatz lächelt immer noch abwesend.

Der war ja süß, schwärmt sie. Ich haue den Gang rein, ohne zu kuppeln. 


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Verfasst 18. November 2019 von Simon in category "Satire", "Schatz und ich

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