8 April 2023

Virtueller Urlaub

Seit einiger Zeit fahren meine Frau und ich nur noch virtuell in den Urlaub. 
Wir sitzen  vor dem Fernsehgerät auf unserem bequemen Sofa und träumen uns weit weg. Unsere Freunde sind schon ganz neidisch, wenn wir erzählen wo wir am Wochenende wieder überall gewesen sind. Und das ganz umsonst!
Die Länder Europas kennen wir inzwischen wie unsere kuscheligen Kissen, und auch die anderen fünf Kontinente sind uns so vertraut wie unsere Pantoffeln. Die tragen wir allerdings nicht mehr so oft wie früher. Überhaupt hat unsere Kleidung jetzt ein geradezu sportliches Outfit bekommen. Besuchen wir z. B. die Malediven mit ihrer faszinierenden Unterwasserwelt, haben wir natürlich außer Schwimmflossen und Taucherbrille nichts weiter an. Die Heizung im Wohnzimmer habe ich natürlich vorher voll aufgedreht. Schließlich wollen wir uns ja nicht erkälten.
Vorige Woche waren wir für ein Stündchen in der Antarktis bei einer Expedition mit dabei und heilfroh, dass wir auf eine Ausrüstung zurückgreifen konnten, die wir uns einige Wochen zuvor für einen Ausflug zum Nordkap besorgt hatten. Ich brauchte also nur noch unsere beiden Tiefkühlschränke im Wohnzimmer aufzustellen. Da drin war es allerdings etwas ungemütlich, aber so konnten wir die drangvolle Enge in den Expeditionscontainern sehr gut am eigenen Leibe nachvollziehen.
Übermorgen steht die Besteigung der Eiger-Nordwand auf unserem Programm. Meine Frau meint aber, dies wäre ihr vielleicht doch etwas zu sportlich. Wir sollten daher lieber ins Alte Land bei Hamburg fahren und endlich einmal die schönen Äpfel probieren, die es dort reichlich geben soll. Nicht umsonst, dafür aber echt!

Copyright by Michael Blümel

Weitere Texte von Fred Lang auf seinem Blog Allerlei Schelmerei

20 Januar 2023

Der Neujahrswumms und andere Knaller

Wieder ist ein Jahr zu Ende und wir können stolz sagen: Wir leben noch – und die Russen sind nicht in Deutschland einmarschiert. Das alles haben wir der weitsichtigen und verantwortungsvollen Politik der Regierung zu verdanken. Die zweite gute Nachricht: Unsere Sirenen funktionieren nun wieder. Ist das nicht beruhigend? Auch wenn unsere Puma-Panzer defekt sind. An Neujahr zeigte sich, dass das Volk durchaus ohne Panzer wehrhaft ist. Wer mit Feuerwehrleuten und Sanitätern fertig wird, für den dürften Soldaten kein Problem darstellen. Ja, das war ein Event diese Neujahrsnacht! Vor allem in Berlin hat es ordentlich gewummst. Haben die jungen Leute den Scholz irgendwie falsch verstanden?

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28 Januar 2020

Frauentausch (9)

Nachmittag, ich sitze auf der Couch und sehe Frauentausch. Brigitte tauscht mit Melanie. Brigitte, in den Vierzigern, Wischmopfrisur blond mit grüner Strähne, spricht Dialekt, welchen, weiß ich nicht. Jedenfalls klingt er irgendwie nach Ruhrpott. Wirkt ein bisschen orientierungslos in der neuen Wohnung. Die kleinen Kaninchenaugen schauen nervös hin und her. Überall Zettel. 

Schatz kommt gerade nach Hause. 

Was läuft?, fragt sie, als sie in unseren Wohn-Essbereich kommt. 

Nichts. Nur Frauentausch.

So ein Mist schaust du dir an? 

Kommt nix anderes.

Melanie ist in der neuen Wohnung. Sie ist blondiert, hat eine Raucherstimme. Man glaubt förmlich, den Geruch von kalten Zigarettenrauch in der Nase zu haben, wenn man sie anschaut. Sie ist dünn und hat enge Jeans an und eine mächtige Oberweite. An jedem Finger trägt sie Ringe. Drecksloch sagt sie zu der Wohnung, in der sie sich gerade umschaut. 

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24 Dezember 2019

Weihnachten mit Sauerkrautpizza (7)

Heiligabend, später Nachmittag. Ich liege auf dem Sofa und schaue Drei Haselnüsse für Aschenbrödel im Fernsehen. Schatz kommt aus der Küche, wo sie das Essen für den Abend vorbereitet. Sie streicht mir mit der Hand über den Kopf. Dann küsst sie mich. Ich richte mich auf und wir umarmen uns. Verwirrt blicke ich sie an. Sie scheint meine Gedanken zu lesen.

Heute ist Weihnachten, das Fest der Liebe, sagt sie mit sanfter Stimme und küsst mich erneut. Dann blickt sie mich wieder an und ruft: Könntest du mir helfen? Sie ruft? Warum ruft sie? Sie sitzt doch neben mir. Irgendetwas stimmt da nicht. 

Hey, ihre Stimme klingt schrill. Ich schrecke hoch. Tatsächlich liege ich auf dem Sofa, aber Schatz ist nicht da. 

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27 September 2019

Leben, Abführmittel und der ganze Rest (1)

Später Nachmittag. ARD bringt Brisant. Tod, Unfall, Verbrechen. Mein Finger zuckt nervös auf der Fernbedienung. Schatz arbeitet heute länger. Ich hab mir einen kleinen Imbiss gemacht. Brot mit Wurst. ZDF. Werbung für Abführmittel. Guten Appetit! Gleich im Anschluss, Pillen gegen Demenz. Ist das hier ein Programm für Altenheime? Ich schalte um zu den Privaten. Da läuft gerade ein Spot für eine neue Darth-Vader-Figur. Ist der nicht in Star Wars 6 gestorben? Egal! Ich höre Geräusche. Entweder ist es Schatz oder der Nachbarjunge, der in letzter Zeit immer unser Schloss knackt. Hat er sich durch ein You-Tube-Video selbst beigebracht. Ich tippe erneut auf die Fernbedienung. Eine Serie. Da ist ein schwuler Schwarzer zu sehen. Schwarzer? Sagt man noch so, oder ist das diskriminierend?

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