20 März 2021

Das Leben ist ein Gartenhaus (18)

Wir sind zu Besuch bei den Eltern von Schatz. Wohnen auf dem Land. Großer Bungalow mit Garten am Hang.

Kaffeetrinken im Wohnzimmer. Im Fernsehen läuft gerade die Tagesschau am Nachmittag.

… und dann habe ich ihm gesagt, solange er Covid hat, muss er im Gartenhaus wohnen, erzählt uns die Mutter Evelin.

Ja, bestätigt Frederik der Vater, ich hatte ja Symptome.

Er rannte ständig aufs Klo. Durchfall, Erbrechen, es war furchtbar.

Aber Covid-19 ist doch eine Lungeninfektion, gebe ich zu bedenken.

Kann aber auch andere Symptome machen. Seid ihr denn nicht informiert? Kopfschmerzen, Hirnschlag, Herzinfarkt, Nieren- oder Leberversagen. Ich wurde trotz der Quarantäne auch infiziert.

Du warst krank?, fragt Schatz erstaunt.

Und wie! Ich hatte blaue Flecken an den Beinen.

Von der Lungenentzündung?, frage ich verwirrt.

Nein. Corona hemmt doch die Blutgerinnung. Kinder, ihr wisst ja gar nichts über Covid-19. Ihr solltet euch ordentlich informieren. Bei Lauterbach oder Drosten.

Aber du hast doch schon immer diese blauen Flecken, sagt Schatz, das ist doch nichts Neues.

So blau, wie mit Corona waren sie noch nie. Schmeckt euch die Torte?

Sehr gut, sage ich. Sie hat eine Apfeltorte gebacken.

Wir müssen noch für Marion etwas aufheben.

Tante Marion?, fragt Schatz.

Ja Mäuschen. Sie ist in Quarantäne. Wir haben sie bei uns aufgenommen. Wir wissen ja, wie schlimm diese Krankheit ist. Deshalb sagte ich: Marion, du kannst so lange in unserem Gartenhaus wohnen, bis du wieder gesund bist. Wir haben es ja nun beide überstanden und können uns so schnell nicht mehr anstecken.

Hat sie Symptome?

Mehr als genug. Sie hat Magenschmerzen und ihr Knöchel ist geschwollen.

Von Corona?

Von was denn sonst! So eine heimtückische Krankheit. Dieses Virus greift unseren gesamten Körper an. Es macht alles kaputt.

Aber Knöchel?, meint Schatz skeptisch.

Ach Kinder, ihr habt wirklich keine Ahnung. Das ist eine Entzündung, geschwollen, gerötet. Was denkt ihr denn? Das ist Corona. Hat sich bei ihr im Gelenk eingenistet. Sie war doch positiv. Was soll es denn sonst sein.

Ich dachte auch erst, die Schwellung komme daher, dass sie umgeknickt ist, sagt Frederik und holt sich noch ein Stück Apfeltorte.

Ja, sagt Evelin, das hast du gedacht.

Aber als sie dann einen positiven Test machte, war klar, dass es Covid ist, sagt der Vater.

Natürlich, sagt Evelin, und iss nicht so viel, du weißt, du hast in den letzten Wochen zwei Kilo zugenommen. Und was hat der Arzt zum Thema Übergewicht gesagt?

Das es ein Risiko für Corona ist. Aber wir hatten ja schon Corona, sagt er schuldbewusst

Die Immunität bleibt nicht ewig erhalten, hat der Lauterbach erklärt. Du weißt, wie schwer es dir fällt abzunehmen.

Ist denn Tante Marion freiwillig hier?, will Schatz wissen.

Natürlich, was denkst du denn? Sie hat es schnell eingesehen, dass es für sie das Beste ist. Ach Mäuschen, vielleicht könnte einer von euch beiden ihr ein Stückchen Torte und einen Kaffee bringen. Aber zieht eure Masken auf, damit ihr euch nicht ansteckt. Ihr könnt das Tablett einfach durch das Fenster reichen.

Klar, ich mach es, sagte ich.

Wie lange ist sie denn schon hier?, will Schatz wissen.

Die erste Woche hat sie übermorgen hinter sich. Sie hat sich gut eingelebt. Na ja, ist ja sonst auch alleine, nach ihrer Scheidung. Bei uns hat sie alles. Essen, Trinken, ein Bett. Es ist sogar ein Klo und ein Waschbecken in unserem Häuschen.

Evelin gibt mir ein Tablett mit Kaffee und Kuchen. Ich setze eine FFP2-Maske auf und gehe durch den Garten zu der besagten Hütte. Ich kenne Marion von Familiengeburtstagen. Sie ist Fünfzig und läuft immer etwas geduckt, als hätte sie Angst, dass ihr ein Flugzeug auf den Kopf fällt.

Das Tablett stelle ich auf einem Mäuerchen ab und klopfe an die Tür.

Hallo?, ruft Marion von innen.

Ich möchte die Tür öffnen, aber sie ist abgeschlossen

Sie öffnet das Fenster und streckt den Kopf heraus.

Hallo Marion, willst du mir nicht öffnen?

Doch schon, aber ich habe keinen Schlüssel. Evelin meint, dass es besser ist, wenn ich nicht rausgehe. Dann verseuche ich nicht die Luft. Ich will ja niemanden anstecken.

Wie geht es dir denn?

Mein Knöchel ist geschwollen. Und ich muss aufpassen, was ich esse, weil ich schnell Magenschmerzen bekomme.

Vielleicht solltest du mal wegen dem Knöchel zum Arzt gehen?

Der will mich nicht reinlassen. Wegen dem positiven PCR-Test. Sagte ich solle wiederkommen, wenn die Quarantäne vorbei ist. Hast du etwas für mich?

Ja, Kaffee und Kuchen.

Stelle es einfach auf dem Tisch am Fenster, ich gehe weg, damit ich dich nicht anstecke.

Fühlst du dich denn nicht alleine?, frage ich während ich ihr das Tablett hinstelle.

Es geht. Ich habe einen Fernseher und mein Handy. Das reicht. Danke dir!

Als ich durch die Terrassentür hereinkomme und die Maske abnehme, besprüht Evelin mein Gesicht mit Desinfektionsmittel. Ich fange an zu husten.

Na hoffentlich hat sie dich nicht angesteckt, sagt sie.

Mama, wenn man dir das Zeug ins Gesicht spritzen würde, müsstest du auch husten.

Ich weiß ja nicht, meint Evelin skeptisch.

Meine Augen brennen, sage ich.

Das ist gut, dann sind sie desinfiziert. Die Viren kommen nämlich auch über die Augen.

Und mir hängen sie bald zum Hals heraus, giftet Schatz.

Wir verabschieden uns bald, damit die Stimmung von Schatz nicht noch schlechter wird.

Du musst mir etwas versprechen, sagt sie, als wir zu Hause sind.

Was denn?

Wenn ich irgendwann positiv getestet werde, darfst du den beiden nichts erzählen.

Was kriege ich dafür?, frage ich.

Sie küsst mich ganz leidenschaftlich. Wir sollten ihre Eltern öfter besuchen, denke ich.


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Verfasst 20. März 2021 von Simon in category "Geschichten", "Satire", "Schatz und ich

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