19 September 2020

Wunderkerzen zum Lutschen (16)

Ich komme von der Arbeit nach Hause. Schatz hat eine Fertigpizza im Ofen und sitzt mit Taliban auf dem Sofa. Im Fernsehen läuft Bares für Rares. 

Unser Paket ist da, sagt sie. Könntest du zur Huber runtergehen und es holen.

Warum ich?, frage ich. 

Die mag dich doch so gerne, sagt Schatz. Das meint sie ironisch. Die Huber ist bestimmt über 80 und ihre Zahnprothese klappert, wenn sie redet.

Nun geh schon, befiehlt Schatz.

Na gut! Ich fahre mit dem Fahrstuhl nach unten.

Ach mein Schnucki, begrüßt mich Frau Huber und küsst mich auf die Wange. Sie zieht mich gleich in ihre Wohnung. Im Fernsehen läuft Bares für Rares. Aber wir setzten uns in die Küche. 

Das ist ja schön, dass du auch mal wieder kommst. Wie geht es dir und deiner Frau?

Gut.

Möchtest du etwas trinken?

Ich komme eigentlich wegen dem Paket.

Ja, das hat Walter heute abgegeben.

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5 Juli 2020

Spanferkel und Jahrestag (15)

Nächste Woche ist unser Jahrestag, sagt Schatz. Was sollen wir machen?

Wir könnten Essen gehen, sage ich.

Gute Idee. Damit unterstützen wir gleich unsere Gastronomen. Die haben die letzten Monate sehr gelitten. 

Unsere Wahl fällt auf „Das goldene Spanferkel“ mit guter deutscher Hausmannskost. Schatz bestellt einen Tisch. 

Fünfzehn Minuten vor der Reservierung sind wir vor Ort. Vor dem Eingang eine längere Schlange maskierter Leute. An der Tür steht ein Mann, groß mit Glatze und wahnsinnigen Muskeln. Schatz steuert direkt auf ihn zu.

Reserviert?, fragt er.

Ja, sagt sie. Für Zwanzig Uhr.

Der Riese schaut auf die Uhr und sagt. 

Viertelstunde warten!

Er deutet auf eine Parkbank, die vor dem Eingang an der Seite steht. Wir setzen uns und beobachten die Leute in der Schlange. Ab und zu dürfen einige der Wartenden ins Lokal.

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4 Juni 2020

Corona Superstar

Mein Name ist Corona. Ich bin ein Virus. Geboren bin ich wahrscheinlich in China. Manche sind auch der Meinung, mein Vater sei ein Mensch namens Bill Gates. Oder wurde ich von einem Geheimdienst zur Welt gebracht?Genau weiß ich es nicht. Und es ist mir auch völlig egal. Viel entscheidender ist, ich bin in aller Munde – und das in engerem Sinne. Ich habe eine Schwäche für die Schleimhäute der Menschen.


Ich bin winzig klein, und doch kennt mich jeder, weltweit. Ich beherrsche seit Monaten die Nachrichten und es gibt keinen Tag, an dem nicht über mich in Zeitungen und Fernsehen berichtet wird. Sogar Sondersendungen werden wegen mir geschaltet.

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26 Mai 2020

Fotoabend mit Heino (14)

Fotoabend bei Iris. Wir stehen vor der Tür. Iris öffnet und winkt uns herein.

Kommt schnell, raunt sie, bevor uns die Nachbarn sehen.

Wieso?, fragt Schatz.

Die schauen sehr genau hin, wieviele Leute zu mir kommen.

Privatpartys sind doch nicht verboten, werfe ich ein.

Das sag mal meinen Nachbarn. Kommt endlich.

Wir treten ein.  

Gabi und Frank sind schon da, sagt Iris. Ich überreiche ihr einen Blumenstrauß, den wir eben an der Tankstelle gekauft haben.

Iris bedankt sich und sagt: Die kommen bestimmt aus Marokko. Da werden Felder bewässert, nur um Blumen für uns zu züchten.

Wir schweigen.

Mein Bruder ist hier, sagt Iris.

Wusste gar nicht, dass du einen hast, sagt Schatz.

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12 Mai 2020

Lasset uns Neuröslein pflanzen

Es ist so weit. Die Welt steht vor einer Revolution. Schluss mit den mitleidigen Blicken, wenn man mit Gummihandschuhen einkaufen geht. Schluss mit dem Belächelt-werden, nur weil man einen Mund-Nasen-Schutz trägt. Ja, das Zeitalter der Mysophobie ist angebrochen. Die Menschen haben endlich erkannt: Das Leben ist lebensgefährlich! Nicht die Russen, nicht die Iraner, nicht die Atombomben gefährden uns. Corona zeigt uns, gegen wen wir wirklich Krieg führen, nämlich gegen diese mörderischen kleinen Biester namens Viren und Bakterien.  Sollen die Verharmloser doch an ihren Infektionen zu Grunde gehen. Wir pflegen unsere Neurosen!

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11 April 2020

Bibelhelden und Mörder (13)

Nachmittag. Im Fernsehen läuft gerade so ein Monumentalschinken mit Charlton Heston.


Wieso spielt der Typ in Bibelfilmen mit, war der nicht mal Sprecher der Waffenlobby in Amerika?, ruft Schatz herüber. Sie hat sich in der Essecke breit gemacht und betreibt Home-Office. Ich sitze auf dem Sofa und graule Taliban.


Weiß nicht, vielleicht setzte er sich für geweihte Waffen ein.


Draußen scheint die Sonne. Unsere Balkontür ist offen.


So schönes Wetter, sagt Schatz, und wir hocken hier herum. Die Ostertage sind ruiniert.


Dafür bleiben wir am Leben. Wenn wir rausgehen infizieren wir uns und sterben.

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